Wenn ein Besuch in Rio de Janeiro auf ihrem Brasilienprogramm stehen sollte, dann versäumen sie den Botanischen Garten dieser Stadt auf keinen Fall, er gehört nämlich unbedingt zu den Highlights von Rio de Janeiro – ich zähle ihn sogar zu den besonderen Highlights Brasiliens überhaupt! Auf einer der schönsten und gepflegtesten Grünflächen der Stadt – insgesamt 54 Hektar unter freiem Himmel – erlebt man hier rund 6.500 der verschiedensten Spezies aus der brasilianischen und ausländischen Flora – einige davon sind vom Aussterben bedroht. Und falls Sie nicht gerade vorhaben, den Regenwald Amazoniens vor Ort kennenzulernen, dann bietet Ihnen Rios Botanischer Garten auch einen interessanten ersten Eindruck von diesem Biom.
Der “Jardim Botânico“ befindet sich in Rios Südzone, im Stadtteil gleichen Namens, und ist mehr als nur eine Ausstellung von Pflanzen, Büschen und Bäumen: In ihm befindet sich auch eines der bedeutendsten naturwissenschaftlichen Forschungszentren Brasiliens. Dieses Institut beherbergt, unter anderem, auch Monumente von historischem, künstlerischem und archäologischem Wert, sowie die umfassendste botanische Bibliothek des Landes, mit 32.000 Exemplaren, ausserdem das grösste Herbarium mit zirka 650.000 getrockneten Pflanzenexemplaren, alle fein säuberlich beschrieben und zur Einsicht der Öffentlichkeit auf den Internetseiten der Institution, die auch für die Koordination der Auflistung aller bekannten Floraspezies Brasiliens verantwortlich ist, sowie für die Beurteilung der Bedrohung der jeweiligen Arten.
Aus der Geschichte
Die Entstehung des Botanischen Gartens von Rio de Janeiro reicht zurück bis zur Verlegung des portugiesischen Königshofes nach Brasilien – zwischen 1808 und 1821. Der Hof richtete sich in der Stadt Rio de Janeiro ein, die seit 1763 Sitz des Brasilianischen Staates war, eine portugiesische Kolonie, die fortan zum Sitz des portugiesischen Imperiums aufstieg, was ihr verschiedene Möglichkeiten und Verbesserungen bescherte. Darunter auch die Errichtung einer Pulverfabrik im Besitz von Rodrigo de Freitas, deren Mauerruinen heute noch die Grenzen des Botanischen Gartens markieren.
Am 13. Juni 1808 befiehlt der Prinzregent Dom João de Bragança (der zukünftige König Dom João VI), im Namen seiner unfähigen Mutter, der Königin Dona Maria I., “das Territorium, welches Lagoa Rodrigo de Freitas genannt wird, in Besitz zu nehmen“, um auf ihm den “Jardim de Aclimação“ einzurichten, in der Absicht, dort die verschiedensten Gewürzpflanzen aus dem orientalischen Indien zu akklimatisieren: Muskatnüsse, Zimt und Schwarzen Pfeffer, zum Beispiel. Noch im gleichen Jahr, am 11. Oktober, bekam die Einrichtung den Namen “Real Horto“ (königlicher Garten), und am folgenden Tag (dem 12. Oktober) unterzeichnete der Prinzregent ein Dekret, mit dem er die Position eines Verwalters für jenen Garten schuf.
Die ersten Pflanzenexemplare, die in diesem Garten eingesetzt wurden, kamen aus dem “Jardim La Pamplemousse“, auf der Insel Mauritius, aus den Händen von Luiz de Abreu Vieira e Silva, der sie dem Prinzregenten zum Geschenk machte. Unter ihnen befanden sich auch die ersten Ableger der so genannten “Palma Mater“ (Roystonea oleracea) – sie wurden vom Prinzregenten persönlich gepflanzt. Heute säumen 140 dieser fast 40 Meter hohen Palmen, die 740 Meter der zentralen Allee des Botanischen Gartens – und die sind demnach mehr als 200 Jahre alt. Inzwischen ist diese Palmenspezies, der man den Namen “Palmeira Imperial“ (Königspalme) gegeben hat, über den gesamten tropischen Teil Brasiliens verbreitet.
Die Direktion des “Gartens“ wurde anfänglich (1808) dem General Carlos Antônio Napion übertragen und danach dem Brigadegeneral João Gomes da Silveira Mendonça, Marquis von Sabará, der ihn zwischen 1808 und 1819 leitete. 1810 verwandelte der Preusse Kancke den Garten in eine Experimentier-Station und erhielt in dieser Funktion mehr als 800.000 Reis pro Jahr. In den Gewächshäusern wuchsen inzwischen Ableger von Kampfer, Nussbäumen, Jackfrucht, Gewürznelken und anderen Gewächsen des Orients heran.
Im Jahr 1812 kamen im “Real Horto“ die ersten Tee-Ableger an (Camellia sinensis, einer Pflanze, die damals noch als Tea viridis bekannt war) – geschickt aus Macao, von Dom Rafael Botado de Almeida, dem Senator jener portugiesischen Kolonie des extremen Orients. In der Absicht, diese Teekultur voranzubringen, ordnet der Prinzregent 1814 an, eine Gruppe von 300 Chinesen herüber zu bringen, um im “Königlichen Garten“ zu arbeiten.
Die Periode des Imperiums
Nach der Unabhängigkeitserklärung Brasiliens (1822) wurde der “Horto Real“ noch im gleichen Jahr für den Besuch der Allgemeinheit geöffnet – jetzt allerdings unter dem Namen “Real Jardim Botânico“ (Königlicher Botanischer Garten). Etwas später, noch im gleichen Jahr, anlässlich der Gründung des Brasilianischen Imperiums (1822), wechselte er seinen Namen erneut in “Imperial Jardim Botânico“ (Imperialer Botanischer Garten).
Ab dieser Zeit gab es Foren des Botanischen Gartens, zumal seine Direktion inzwischen an den Karmelitermönch Frei Leandro do Santissimo Sacramento vergeben worden war (1824-1829), der war Professor der Botanik und genoss grosse Anerkennung wegen seiner Studien der brasilianischen Flora. Frei Leandro führte einige Verbesserungen ein und organisierte einen Katalog der im Garten kultivierten Pflanzen – er war der Orientator jener Alleen, die von Mango-, Jackfrucht-, Nuss- und anderen Bäumen gesäumt sind, sowie der Mauern aus Büschen von Myrten und Hibiskus. Ihm zu Ehren befindet sich eine Büste innerhalb der Gartenanlagen, und der kleine See im Zentrum erhielt ebenfalls seinen Namen.
Der Erlass Nummer 69, vom 21. März 1825, wurde verabschiedet als Antwort auf einen Antrag des Direktors des “Imperial Jardim Botânico“, in dem dieser um eine zügigere Behandlung der Institution ersuchte, besonders hinsichtlich des Tee-Anbaus. Zur selben Zeit fällt an diesem Ort die Stilllegung aller Aktivitäten der Pulverfabrik ins Gewicht (1826), die in das damalige Dorf “Vila Inhomirim“, am Fuss der Serra dos Orgãos, verlegt wurde.
Das Reglement Nummer 15, vom 1. April 1838, schuf auf der damaligen “Imperial Fazenda da Lagoa Rodrigo de Freitas” (in unmittelbarer Nachbarschaft des Botanischen Gartens) eine Landwirtschaftsschule für Theorie und Praxis – zu Verwirklichung kam es jedoch nicht, weil im selben Jahr, am 6. September 1838, ein kaiserliches Dekret dem Botanischen Garten auferlegte, sich sofort auf die Anpflanzung von Maulbeerbäumen (morus nigra) zu konzentrieren, um mit ihren Früchten Seidenraupen (Bombyx mori) füttern zu können – der Kaiser war entschlossen, selbst Seide zu produzieren.
1851 wird innerhalb des Geländes eine Fabrik für die Fertigung von so genannten “Panama-Hüten“ errichtet – das Rohmaterial dieser Strohhüte liefern die “Palmeiras-bombonaças“ (Carludovica palmata). Auch diese Einrichtung war kurzlebig – gerade mal drei Jahre. Im gleichen Jahr 1851 bekam der Botanische Garten ein neues, schmiedeeisernes Eingangstor und eine Wasserkanalisation für die gesamte Gartenfläche – ein Projekt, welches mit der Konstruktion des “Aquädukts von Levada“, im “Vale das Margaridas“ (Tal der Margariten) vollendet wurde (1853).
1860 präsentierte Frederico Leopoldo César Burlamaque, damals Direktor des “Imperial Instituto Fluminense de Agricultura” (Landwirtschafts-Institut) dem Hof einen Vorschlag, die Administration des “Imperial Jardim Botânico“ fortan seiner privaten Institution anzuvertrauen. So kam es, dass der Botanische Garten der Verantwortung des kaiserlichen Ministeriums entzogen und dem neu gegründeten “Ministerium für Landwirtschaft, Kommerz und Öffentlichkeitsarbeit“ unterstellt wurde, mittels eines Vertrages vom 17. August 1861.
Dort war man daran interessiert, innerhalb des Gartengeländes eine Schule für Agrartechnik einzurichten, unter dem Namen “Asilo Agrícola da Fazenda Normal“, sie sollte der praktischen Ausbildung und als Modell für die Fazendas zur Kultivierung von Gewürzpflanzen dienen – in ihr wurden die perfektioniertesten Prozesse der Landwirtschaft jener Epoche entwickelt. Die Direktion des Imperialen Botanischen Gartens wurde Frederico Burlamaque übertragen (der sie von Juli 1861 bis August 1862 innehatte) – die Direktion der Kulturen wurde dem Deutschen Hermann Herbster anvertraut. Das Landwirtschafts-Magazin “Revista Agrícola do Imperial Instituto Fluminense da Agricultura“ wird herausgegeben (im September 1869), dessen Publikationen bis zur Auflösung des Brasilianischen Imperiums (1889) erscheinen.
Mit der Einführung der Brasilianischen Republik (1889) nannte man den “Imperial Jardim Botânico“ um in den bescheidenen, volkstümlichen Namen “Jardim Botânico“. Von da an wurde er von zahlreichen illustren Persönlichkeiten besucht, wie zum Beispiel von Albert Einstein (im Mai 1925), der Königin Isabella II. von Spanien (im November 1968) und vielen anderen – der Botanische Garten wurde ein beliebtes Postkartenmotiv der Stadt Rio de Janeiro. Unter den Forschern, die mit ihm besonders verbunden waren, ist vor allem Manuel Pio Correia zu nennen.